Irrtum über den Tatbestand

From Ius

(Difference between revisions)
 
(2 intermediate revisions not shown)
Line 1: Line 1:
'''Tatbestandsirrtum''' ([[§ 16 StGB]])
'''Tatbestandsirrtum''' ([[§ 16 StGB]])
-
Ein Umstand der zum gesetzlichen Tatbestand gehört ist unbekannt. Hier ist der Vorsatz ausgeschlossen.
+
Es mangelt dem Täter an Vorsatz, wenn er über einen Umstand irrt, welcher zum gesetzlichen Tatbestand gehört.
 +
''a) Vermeidbarkeit''
-
'''16 I''': Der Vorsatz wird hier unabhängig von Vermeidbarkeit und der Differenzierung zwischen Nichtwissen und Fehlvorstellung ausgeschlossen. Lediglich für die Fahrlässigkeit sind Vermeidbarkeit und Vorwerfbarkeit relevant, Voraussetzung bleibt die Strafbarkeit der Fahrlässigkeit.
+
Der Vorsatz wird unabhängig von Vermeidbarkeit und der Differenzierung zwischen Nichtwissen und Fehlvorstellung ausgeschlossen. Lediglich für die Fahrlässigkeit, insofern sie strafbar ist, sind Vermeidbarkeit und Vorwerfbarkeit relevant.
-
Die Entlastung des Täters durch den Irrtum gilt nicht für den '''umgekehrten Tatbestandsirrtum''', welcher den untauglichen Versuch indiziert. (Bsp.: A schießt auf B, B schon tot)
+
''a) Umgekehrten Tatbestandsirrtum''
-
''a) Irrtum über das Handlungsobjekt'' (error in objecto vel persona)
+
Ein umgekehrter Tatbestandsirrtum liegt vor, wenn subjektiv, aber nicht objektiv ein Straftatbestand erfüllt ist. Der umgekehrte Tatbestandsirrtum ist als untaugliche Versuch grundsätzlich strafbar, [[§ 16 StGB]] nicht anwendbar.
-
Nur bei einer Ungleichwertigkeit der Handlungsobjekte wird der Vorsatz verneint. (Bsp.: Kein Vorsatz bei Schuss auf ein vermeintlichen Hund, der ein Kind ist; Vorsatz wenn Schuss auf A satt B durch Verwechslung, denn der Vorsatz hat isch sinnlich konkretisiert)
+
''b) Irrtum über das Handlungsobjekt'' (''error in objecto vel persona'')
-
''b) Fehlgehen der Tat'' (aberratio ictus)
+
Ein Irrtum über das Handlungsobjekt liegt bei einer Fehlvorstellung über die Identität oder sonstige Eigenschaften des Tatobjekts bzw. der betreffenden Person vor. Nur bei einer Ungleichwertigkeit der Handlungsobjekte wird der Vorsatz verneint. Es ist aber in diesem Falle die Strafbarkeit wegen Versuchs in Tateinheit mit Fahrlässigkeit möglich.
-
Der Erfolg tritt am falschen Handlungsobjekt ein. (Bsp.: A zielt auf B (versuchter Totschlag) und trifft C (fahrlässige Tötung); Anderes gilt im Fall eines Wissens um die Möglichkeit des fehlgehens: dolus eventualis gegen B und vollendete Vorsatztat gegen C.
+
''c) Fehlgehen der Tat'' (''aberratio ictus'')
-
''c) Kombination''
+
Ein Fehlgehen der Tat ist gegeben, wenn das beim Ansetzen zur Tat konkret anvisierte und das tatsächlich getroffene Objekt nicht identisch sind.
-
''d) Irrtum über Kausalverlauf''
+
Über die Rechtsfolgen besteht Streit. Nach der herrschenden Meinung ist lediglich nach Versuch und Fahrlässigkeit in Tateinheit strafbar. Nach einer anderen Ansicht ist wegen Vorsatztat bezüglich des tatsächlich getroffenen Objekts strafbar.
-
Liegt der Irrtum in den Grenzen der allgemeinen Lebenserfahrung ist er unwesentlich und der Vorsatz bleibt besethen. (Bsp.: A schlägt B in Tötungsabsicht mit Beil, B stirbt an Wundinfektion)
+
''d) Kombination''
-
Besonders relevant wird der Irrtum über den kausalverlauf wenn die tat in zwei Akten vollzogen wird und der Täter nach dem ersten Akt irrtümlich annimt und ihn aber erst im zweiten herbeiführt. Vorsatz wird dann in abhängigkeit von Vorhersehbarkeit und Enderfolgswille beurteilt.
+
''e) Irrtum über Kausalverlauf''
 +
 
 +
Liegt der Irrtum in den Grenzen der allgemeinen Lebenserfahrung ist er unwesentlich und der Vorsatz bleibt bestehen.
 +
 
 +
Besonders relevant wird der Irrtum über den Kausalverlauf wenn die Tat in zwei Akten vollzogen wird und der Täter nach dem ersten Akt irrtümlich annimmt und ihn aber erst im zweiten herbeiführt. Vorsatz wird dann in Abhängigkeit von Vorhersehbarkeit und Enderfolgswille beurteilt.
'''Verbotsirrtum''' ([[§ 17 StGB]])
'''Verbotsirrtum''' ([[§ 17 StGB]])
-
Keine Kenntnis des Rechts ist für die Vermeidung des Verbotsirrtums notwendig, sondern lediglich die Parallelwertung in der Laiensphäre muss den rechtlich-sozialen Bedeutungsgehalt der Verbotsnorm kennen. Dies gilt besonders für die Bedeutung normativer statt deskriptiver TBMs.
+
Ein Verbotsirrtum liegt vor, wenn der Täter um alle Tatumstände weiß, seine Tat aber für erlaubt hält.
 +
 
 +
''a) Vermeidbarkeit und Rechtsfolge''
-
Der Täter weiss um alle Tatumstände, hält aber seine Tat für erlaubt.
+
Ist der Irrtum unvermeidbar, so trifft den Täter kein Unrechtsbewusstsein dh, keine Schuld. Ist er jedoch vermeidbar kann die Strafe gemildert werden.
-
Ist der Irrtum unvermeidbar, so trifft ihn keine Schuld. Ist er jedoch vermeidbar kann die Strafe gemildert werden.
+
Keine Kenntnis des Rechts ist für die Vermeidung des Verbotsirrtums notwendig, sondern lediglich die Parallelwertung in der Laiensphäre muss den rechtlich-sozialen Bedeutungsgehalt der Verbotsnorm kennen. Dies gilt besonders für die Bedeutung normativer statt deskriptiver Tatbestandsmerkmale.
-
''Schuldtheorie''
+
''b) Schuldtheorie''
Die Schuldtheorie verneint des Einfluss des Verbotsirrum auf den Vorsatz, sondern ordnet ihn der Schuld zu.
Die Schuldtheorie verneint des Einfluss des Verbotsirrum auf den Vorsatz, sondern ordnet ihn der Schuld zu.
-
''Vorsatztheorie''
+
''c) Vorsatztheorie''
Die Vorsatztheorie sieht durch den Verbotsirrtum den Vorsatz ausgeschlossen und kennt dementsprechend nur einen Irrtum: den über die Rechtswidrigkeit.
Die Vorsatztheorie sieht durch den Verbotsirrtum den Vorsatz ausgeschlossen und kennt dementsprechend nur einen Irrtum: den über die Rechtswidrigkeit.
Die Rechtsfolgen des Verbotsirrtum ergeben sich aus dem Kriterium der '''Vermeidbarkeit'''. Dieses wird streng angewendet und somit eine Pflicht zur Gewissensanspannung und zur Erkundigung im Zweifel begründet.
Die Rechtsfolgen des Verbotsirrtum ergeben sich aus dem Kriterium der '''Vermeidbarkeit'''. Dieses wird streng angewendet und somit eine Pflicht zur Gewissensanspannung und zur Erkundigung im Zweifel begründet.

Current revision as of 10:03, 7 November 2007

Tatbestandsirrtum (§ 16 StGB)

Es mangelt dem Täter an Vorsatz, wenn er über einen Umstand irrt, welcher zum gesetzlichen Tatbestand gehört.

a) Vermeidbarkeit

Der Vorsatz wird unabhängig von Vermeidbarkeit und der Differenzierung zwischen Nichtwissen und Fehlvorstellung ausgeschlossen. Lediglich für die Fahrlässigkeit, insofern sie strafbar ist, sind Vermeidbarkeit und Vorwerfbarkeit relevant.

a) Umgekehrten Tatbestandsirrtum

Ein umgekehrter Tatbestandsirrtum liegt vor, wenn subjektiv, aber nicht objektiv ein Straftatbestand erfüllt ist. Der umgekehrte Tatbestandsirrtum ist als untaugliche Versuch grundsätzlich strafbar, § 16 StGB nicht anwendbar.

b) Irrtum über das Handlungsobjekt (error in objecto vel persona)

Ein Irrtum über das Handlungsobjekt liegt bei einer Fehlvorstellung über die Identität oder sonstige Eigenschaften des Tatobjekts bzw. der betreffenden Person vor. Nur bei einer Ungleichwertigkeit der Handlungsobjekte wird der Vorsatz verneint. Es ist aber in diesem Falle die Strafbarkeit wegen Versuchs in Tateinheit mit Fahrlässigkeit möglich.

c) Fehlgehen der Tat (aberratio ictus)

Ein Fehlgehen der Tat ist gegeben, wenn das beim Ansetzen zur Tat konkret anvisierte und das tatsächlich getroffene Objekt nicht identisch sind.

Über die Rechtsfolgen besteht Streit. Nach der herrschenden Meinung ist lediglich nach Versuch und Fahrlässigkeit in Tateinheit strafbar. Nach einer anderen Ansicht ist wegen Vorsatztat bezüglich des tatsächlich getroffenen Objekts strafbar.

d) Kombination

e) Irrtum über Kausalverlauf

Liegt der Irrtum in den Grenzen der allgemeinen Lebenserfahrung ist er unwesentlich und der Vorsatz bleibt bestehen.

Besonders relevant wird der Irrtum über den Kausalverlauf wenn die Tat in zwei Akten vollzogen wird und der Täter nach dem ersten Akt irrtümlich annimmt und ihn aber erst im zweiten herbeiführt. Vorsatz wird dann in Abhängigkeit von Vorhersehbarkeit und Enderfolgswille beurteilt.


Verbotsirrtum (§ 17 StGB)

Ein Verbotsirrtum liegt vor, wenn der Täter um alle Tatumstände weiß, seine Tat aber für erlaubt hält.

a) Vermeidbarkeit und Rechtsfolge

Ist der Irrtum unvermeidbar, so trifft den Täter kein Unrechtsbewusstsein dh, keine Schuld. Ist er jedoch vermeidbar kann die Strafe gemildert werden.

Keine Kenntnis des Rechts ist für die Vermeidung des Verbotsirrtums notwendig, sondern lediglich die Parallelwertung in der Laiensphäre muss den rechtlich-sozialen Bedeutungsgehalt der Verbotsnorm kennen. Dies gilt besonders für die Bedeutung normativer statt deskriptiver Tatbestandsmerkmale.

b) Schuldtheorie

Die Schuldtheorie verneint des Einfluss des Verbotsirrum auf den Vorsatz, sondern ordnet ihn der Schuld zu.

c) Vorsatztheorie

Die Vorsatztheorie sieht durch den Verbotsirrtum den Vorsatz ausgeschlossen und kennt dementsprechend nur einen Irrtum: den über die Rechtswidrigkeit.

Die Rechtsfolgen des Verbotsirrtum ergeben sich aus dem Kriterium der Vermeidbarkeit. Dieses wird streng angewendet und somit eine Pflicht zur Gewissensanspannung und zur Erkundigung im Zweifel begründet.

Personal tools